Der Familienrat* ist ein Verfahren für Familien, die vor Herausforderungen stehen, die sie nicht allein bewältigen können. Sie werden von einem/einer unabhängigen Koordinator:in dabei unterstützt, ihr Netzwerk zu aktivieren und einzuladen, um mit allen gemeinsam eine Lösung für die anstehenden Themen zu entwickeln. Unter „Netzwerk“ sind nicht nur Verwandte, sondern auch Freunde, Nachbarn, Kolleg:innen usw. zu verstehen.
Die Erfahrung zeigt, dass die im Familienrat entwickelten Problemlösungen passgenauer und nachhaltiger wirksam sind als Hilfen, die (nur) von professionellen Helfer:innen konzipiert wurden. Zudem ist es eine bereichernde Erfahrung für Familien-Netzwerke als Gemeinschaft zusammenzukommen und einander beistehen zu können.
Fachkräfte, die mit der Familie und ihrem Problem zu tun haben, werden zur ersten Runde des Familienrats mit eingeladen, es ist wichtig, dass sie ihre Sichtweise des Problems und ihre Fachkenntnisse dazu einbringen, aber auch, dass sie der Familie spiegeln, welche Stärken (Ressourcen) diese haben und dass man ihnen zutraut, mit der Unterstützung der Familiengruppe eine gute Lösung zu erarbeiten.
Die eigentlichen Eckpunkte der Lösung werden in der zweiten Runde des Familienrats erarbeitet, während der alle Fachkräfte (auch die Koordination) den Raum verlassen und die Familie gemeinsam mit ihrem Netzwerk einen eigenen Plan erarbeitet. Der Plan wird den beteiligten Fachkräften in einer dritten Runde des Familienrates vorgestellt und gegebenenfalls konkretisiert.
Wenn die Möglichkeiten der Familie zur Umsetzung einer Lösung nicht ausreichen, unterstützen die beteiligten Institutionen im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie können in diesen Fällen passgenau und zielorientiert arbeiten.
Der Familienrat wird seit über 35 Jahren in Neuseeland und auf der ganzen Welt erfolgreich eingesetzt, seit Anfang der 2000er Jahre auch im deutschsprachigen Raum.
Akteure und Projekte aus Ihrer Region finden Sie unter diesem Link.
*= engl. family group conference, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Verfahren zur Strukturierung innerfamiliärer Kommunikation "Familienrat" nach Rudolf Dreikurs.
Wenn es in einer problematischen Familiensituation um Jugendliche oder junge Erwachsene geht, macht es Sinn, dass sie selbst die Gastgeberrolle in „ihrem“ Rat über-nehmen. Dann sprechen wir vom Zukunftsrat, um ihn vom Familienrat zu unterscheiden.
Mit Übernahme der Gastgeberrolle liegt es bei den Jugendlichen zu entscheiden, wen sie zu ihrem Rat einladen wollen, z.B. können sie ihre Eltern einladen, müssen es aber nicht. Auch steht es ihnen frei, aus ihrer Peergroup alle Freund:innen einzuladen, die ihnen wichtig sind und denen sie vertrauen. (Das sind häufig junge Menschen, die Eltern nicht einladen würden, weil sie einen „schlechten Einfluss“ befürchten.)
Mit der Rolle als Gastgeber:in übernehmen die jungen Menschen aktiv Verantwortung für ihre Zukunft, das verändert die Dynamik des Rates entscheidend und hat sich in der Vergangenheit als sinnvoll erwiesen, wenn die Probleme eines jungen Menschen im Fokus des Rates steht.
Unabhängig davon unterscheidet sich das Verfahren in Ablauf und Konzeption nicht vom Familienrat (fgc).
Ansprechpartnerin: Martina Erpenbeck www.interactdialogo.com
Bei der Gemeinschaftskonferenz handelt es sich um eine konstruktive Form der Konfliktbearbeitung zusätzlich oder alternativ zu einem Strafverfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG). Dabei geht es nicht nur um Partizipation der direkt Beteiligten, sondern auch darum, dass diese selbst freiwillig, konsensorientiert und mit Blick in die Zukunft Entscheidungen finden, also einen Ansatz „von unten“. Eine Gemeinschaftskonferenz ist eine demokratische Erfahrung, bei der jene, die von einem Problem am meisten betroffen sind, darüber entscheiden, wie damit umzugehen ist („Ownership“).
Eine Gemeinschaftskonferenz ist also ein Forum, in dem sich Menschen mit problematischen Situationen und Konflikten befassen. Alle Beteiligten dürfen reden, ihre Gefühle ausdrücken und können vor allem das Ergebnis mit beeinflussen. Leitgedanken zielen auf Empowerment: Stärken und Positives, die Bedürfnisse aller Beteiligten sind herauszuarbeiten. Die meisten Konflikte gehen auch die Gemeinschaft etwas an: Vernetzung, Aktivierung des bestehenden Netzwerks.
In diesem Mediationsverfahren trifft die professionelle Perspektive auf die Sichtweisen, unterschiedliche Sprache, Erfahrungen (Vertrauen/Misstrauen), Alltage, Zielsetzungen von „Lebensweltakteuren“. Gerade in der Teilnahme von UnterstützerInnen liegt der (Mehr)Wert des Conferencing-Verfahrens: je mehr Unterstützung, umso größer ist der Einfluss auf die problematische Situation und die Kreativität, angemessene und dauerhaft wirksame Lösungen zu erreichen.
Der Begriff Gemeinschaftskonferenz (GMK) wurde im Kontext der Restorative Justice erstmals 1999 von Otmar Hagemann und Astrid Klukkert als deutsch-sprachige Bezeichnung der neuseeländischen Family Group Conferences (FGC) bzw. Community Conferences für ein Projekt in Hamburg-Lurup verwendet (vgl. „Besser streiten“). Seit 2006 wird dieses Conferencing-Verfahren – neuerdings als erweiterter Täter-Opfer-Ausgleich (eTOA) bezeichnet – im Land-gerichtsbezirk Itzehoe in Schleswig-Holstein umgesetzt.
Autor:
Prof. Dr. Otmar Hagemann
Kiel University of Applied Sciences
Faculty for Social Work and Health
Erster Zwischenbericht über Gemeinschaftskonferenzen in Elmshorn
Die Persönliche Zukunftsplanung (engl. person centred planning) umfasst eine Vielzahl methodischer Planungsansätze um mit Menschen über ihre Zukunft nachzudenken, eine Vorstellung von einer erstrebenswerten Zukunft zu entwickeln, Ziele zu setzen und diese mit Hilfe eines Unterstützungskreises Schritt für Schritt umzusetzen.
Wie der Familienrat ist die persönliche Zukunftsplanung stärken- und ressourcenorientiert angelegt und setzt auf die Kraft der Kreise. Im Unterstützungskreis planen deshalb auf Einladung der planenden Hauptperson alle Menschen, die etwas zur Zukunft der Person beitragen können und wollen. Der Unterstützungskreis wird meist von einer ausgebildeten Moderator:in und oft noch einer Zeichner:in begleitet, die im Gegensatz zum Familienrat auch die ganze Zeit vor Ort bleiben. Ziel ist es, gemeinsam mit der Hauptperson, Freunden, Bekannten, aber auch Professionellen ein lebendiges Bild von einer lohnenswerten Zukunft zu entwerfen und die Schritte dorthin zu planen.
Netzwerk Persönliche Zukunftsplanung
Persönliche Zukunftsplanung als Element der Hilfeplanung
Der Nachbarschaftszirkel ist ein Konfliktlösungsverfahren für Menschen in Wohnquartieren. Alle vom Konflikt betroffenen Personen können dabei zu Aufarbeitung, Wiedergutmachung, Verantwortungsübernahme und Wiederherstellung des sozialen Friedens beitragen. Die Verantwortung für die Lösungsfindung liegt dabei bei den Beteiligten und wird nicht von staatlichen Instanzen übernommen. Vertreter:innen von offiziellen Einrichtungen (z.B. Wohnungsgesellschaft, Polizei, Jugendamt etc.) können als gleichberechtigte Teilnehmer:innen dabei sein.
Aus dem Wunsch heraus, Conferencing-Verfahren auch außerhalb der Jugendhilfe anzubieten, entwickelten Mitarbeiter:innen der Jakus gGmbH 2015 auf Basis ihrer Erfahrungen aus dem Familienrat und den Grundsätzen der Peacemaking Circles aus Nordamerika die Nachbarschaftszirkel. Seit 2020 werden sie ebenfalls in Hamburg angeboten.
Auch im Nachbarschaftszirkel kommen alle von der Situation unmittelbar Betroffenen mit Menschen aus dem persönlichen Umfeld im Kreis zusammen. Dabei werden sie von zwei allparteilichen Vermittler:innen begleitet. Diese unterstützen den gesamten Prozess.
Nachdem Sichtweisen ausgetauscht wurden, können alle ihre Wünsche für das zukünftige nachbarschaftliche Miteinander äußern. Diese werden von den Vermittler:innen gesammelt. Im nächsten Schritt überlegt jede:r, welchen Beitrag sie oder er persönlich leisten möchte, um die Wünsche für eine bessere Nachbarschaft zukünftig zu berücksichtigen. Am Ende entsteht ein Plan mit einfachen Schritten, die im Alltag umgesetzt werden können. Nach einigen Wochen oder Monaten kann in einem Folgezirkel besprochen geschaut werden, ob die Umsetzung der gesammelten Ideen im Alltag gelingt oder ob es neue Absprachen braucht.
In der Organisationsentwicklung gilt der Organisationsrat als innovatives Instrument mit den traditionsreichen Wurzeln einer Kreisversammlung.
Sind Chef*innen mutig, beauftragen sie eine neutrale und externe Koordination mit der Durchführung für einen Organisationsrat, und zwar immer dann, wenn eine nächste weitreichende Entscheidung ansteht.
Die Grundidee ist, dass die Entscheidung möglichst von allen getragen wird, und der Weg zur Lösung, und damit das konkrete Ergebnis, bisher noch offen ist.
Der einfache Ablauf im Organisationsrat mit seinen drei Phasen, angelehnt an das Conferencing- Verfahren „Familienrat“, ist vielfältig einsetzbar.
Überraschende und erstaunliche Lösungen und Ideen, die vorher gar nicht in das Denkmuster zu passen schienen, und die in einem konkreten Plan münden, entstehen sehr kraftvoll und direkt. Der Erfolg und die Nachhaltigkeit entfalten sich durch die konsequente Beteiligung, einem hohen Maß an Partizipation verschiedener Funktions- oder Hierarchieebenen und letztendlich den bisher z. T. noch unentdeckten Kenntnissen und Kompetenzen aller Mitarbeitenden.
Betriebe, Organisationen, Start-Ups, Institute oder auch einzelne Projekte profitieren vom Einsatz eines Organisationsrates, bei dem der Fokus auf der Eigenverantwortung und der gemeinsamen Entscheidungsfindung für eine bestimmte Fragestellung liegt.
Schon in der Vorbereitungsphase des Organisationsrates mit der externen Koordination entwickelt sich bei der Entscheidung für das Thema und der Hinzuziehung weiterer „Gäst*innen/ Spezialist*innen“ von Außen ein netzwerkaktivierendes Potenzial aller.
Bis zum konkreten Datum des Organisationsrates kristallisiert sich das wesentliche, für diesen Moment wichtigste Thema für alle heraus, und mit dieser Energie ist ein Höchstmaß an Beteiligung geschaffen.
Ein Organisationsrat kann als Einzel-Ereignis geplant werden sowie als ein Schritt in einem längeren Organisationsentwicklungsprozess.
Als „Tool“ aus einer Werkzeugkiste auch anderer kreiserweiternder Verfahren, wie z.B. der „Soziokratischen Kreisorganisations-Methode“, dem „Dragon Dreaming“ und der „Systemischen Strukturaufstellung“, entwickelt der Organisationsrat seine volle Kraft im Change-Management und nimmt somit für die Demokratisierung in Unternehmen einen wichtigen Stellenwert ein. Und in Folge bieten inzwischen immer mehr Organisatonsentwickler*innen dieses Instrument an.
Autorin: Martina Erpenbeck